Geschichte Rathaus
Das Rathaus Ortenburg und seine Geschichte
1994 war es soweit. Nach gut einjähriger Bauzeit konnte das historische erhaltenswerte Ortenburger Rathaus nach einer grundlegenden Renovierung und Umgestaltung der Öffentlichkeit und vor allem für den Dienstbetrieb übergeben werden.
Ortenburg besitzt bereits seit 1316 das Marktrecht, welches 1478 von Kaiser Friedrich III. erneuert wurde. Nachweislich gibt es im Markt seit 1679 ein Rathaus. Es wurde in diesem Jahr für die Summe von 494 Gulden und 54 Kreuzer neu gebaut. Eine Erinnerungstafel von Graf Christian zu diesem Anlass ist trotz zweier Brände heute noch am Rathaus erhalten. Mit höchster Wahrscheinlichkeit ist anzunehmen, dass es auch vorher schon ein Rathaus gab, das womöglich auf dem Platz des gegenüberliegenden Gebäudes Haus Nr. 16 stand. Diesen Eindruck kann man bei der Betrachtung einer Zeichnung des Malergrafen Friedrich Casimir aus der Zeit um 1625 gewinnen, die den Marktplatz aus der Vogelperspektive zeigt. Pfarrer Carl Mehrmann schreibt in seiner Ortenburger Lokalchronik von 1863 auf Seite 102 über das damals gebaute Rathaus: „Nach dem noch vorhandenen Plan war ähnlich wie heute in der Mitte des Rathauses das Haupttor. Rechts davon das Tor zum Brodhaus, links eines zum Waaghaus. Im oberen Stock war die große „Rathsstube“, die zugleich als Tanzboden bei Hochzeiten benützt wurde. An diesem Stockwerk befand sich von Außen eine sechs Fuß (ca. 1,80m) hohe Nische in der Mauer, die zum „Prangen“ für Delinquente bestimmt war. Wie uns weiter überliefert ist, wurde der Pranger auch benützt. Im großen Steuerstreit der Bürgerschaft 1698 mit Graf Georg Philipp wurde der Weber Michael Intinger, Vater vieler Kinder und einer der Sprecher der mit Steuer überbürdeten Handwerker, auf den Pranger gestellt, weil er nicht bereit war dem Grafen eine Vermögensaufstellung auszuhändigen, nach der Steuer zu berechnen gewesen wäre.
In diesem dunklen Kapitel der Geschichte des gräflichen Hauses ging man schließlich so weit, dass Intinger vom Scharfrichter aus dem Markt geführt und gegen geschworene Urfehde auf ewig aus der Grafschaft verwiesen wurde. 74 Jahre waren erst vergangen als das Rathaus 1753, wahrscheinlich aus Platzmangel, von Grund auf neu und größer gebaut wurde. Am 2. Mai war die feierliche Grundsteinlegung durch den Amtskämmerer Georg Jakob Poschwitz. Am 10. Oktober war es bereits fertig. Diesmal betrugen die Baukosten 800 Gulden. An dieses Ereignis erinnert heute noch die große Tafel über dem Rathausdurchgang mit dem erweiterten Anspruchswappen der Grafen zu Ortenburg. Die Freude über diesen Neubau sollte nicht lange währen. Am 15. November des gleichen Jahres brach in einem Gebäude hinter dem Rathaus durch unvorsichtiges Hantieren mit offenem Feuer beim Flachshecheln ein Brand aus, der nicht nur das neu gebaute Rathaus einäscherte, sondern auch das Faustanwesen (heute Raiffeisenbank), das Brauhaus und das Haus des Färbers Trunzer (heute Schicker/Schlecker), das Röhrl-Haus (Fam.Lössl), sowie das Haus des Binders Johann Wißpeintner (heute Walter Weber). Wieder musste das Rathaus von Grund auf neu gebaut werden. Hierüber sind uns aber weder Kosten noch sonstige Hinweise überliefert.
Beim großen Marktbrand 1834 war das Rathaus erneut schwer bedroht. Den Flammen konnte damals beim Faust-Wirt Einhalt geboten werden, so dass es diesmal verschont blieb. in der Nacht vom 11. zum 12. Oktober 1908 brach in einem Rückgebäude, der oberen Marktplatzseite wieder Feuer aus. Es war diesmal nicht zu verhindern, dass es erneut auf das Rathaus übergriff und mit diesem noch weitere 11 Gebäude einäscherte.
War das Rathaus bisher einstöckig, wurde es beim Wiederaufbau 1909-1910 um ein Stockwerk erweitert in der Form, wie es uns heute bekannt ist. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie Gemeindeangelegenheiten zu Grafenzeiten geregelt wurden. Es gab den inneren und den äußeren Rat unter Oberleitung des Grafens. Der innere Rat bestand aus vier Bürgern, „des inneren Raths Burger“ genannt, welche Cammerer hießen und zwar der erste „Amtscammerer“ oder „amtierende „Cammerer“ und der zweite „Vicecammerer“.
Der äußere Rat bestand aus acht Mitgliedern, die „des äußeren Raths Burger“ bezeichnet wurden. Diese beiden „Räthe“, besonders der Innere, bildeten in bürgerlichen Angelegenheiten die erste Instanz, deren Umgehung direkt an die gräfliche Kanzlei als zweite Instanz nicht ungestraft blieb. So wurde 1752 der Bürger und Kramhändler Mathias Schicker eine Stunde in den Stock, ein 1863 im Rathaus noch vorhandener, aus zwei Teilen mit Löchern zum Anlagen an die Füße und Hände bestehender und verschließbarer schwerer Holzblock, getan und zu Strafkosten verurteil, weil er statt zunächst beim Cammerer sich gleich unmittelbar beim Grafen über seine Besteuerung beklagt hatte.
(Walter Fuchs, Bürgerschrift der Marktgemeinde Ortenburg 1994)